In welchem Kontext arbeitest Du als KunstvermittlerIn?
Wiebke Trunk: Sowohl im universitären, als auch freiberuflich. Ausgangspunkt ist meine Perspektive als Künstlerin.
Mit wem arbeitest Du zusammen?
WT: Mit KollegInnen, MitarbeiterInnen von kulturellen Einrichtungen (Institut für Auslandsbeziehungen, Goetheinstitute, Museen städt. Einrichtungen, Schulen etc.)
Was verstehst Du unter Kunstvermittlung?
WT: Ich verstehe darunter eine Möglichkeit Kunst zu „benutzen“; genauer: zu Auseinandersetzung anregen/anstiften, um Wahrnehmung und Widerständigkeit zusammenzuführen. Ich halte diese Form sich damit zu befassen (und damit Vermittlung) für eine grundlegende politische Aufgabe.
In was für einem Verhältnis stehen Vermittlung und Kunst (für Dich) zueinander?
WT: s.o.
Warum (zeitgenössische) Kunst vermitteln?
WT: Weil gerade hier Aspekte zeitgenössischer Probleme auftauchen, die anders gesehen werden können und somit die Möglichkeit einer Distanz schon im „Jetzt“ geschaffen werden kann.
In welchem Verhältnis siehst Du die Praxis des Kuratierens und der Vermittlung?
WT: Hier ist eine Reformierung längst überfällig. Die dennoch nach wie vor stattfindende hierarchische Praxis (v. a. bei Events wie documenta, Biennale etc.) halte ich vor diesem Hintergrund für absurd und paradox.
Warum ist Kunstvermittlung für ein Museum/eine Institution wichtig?
WT: Weil nur so die entschiedene Einladung an ein breites Publikum auch wirklich ermöglicht werden kann.
Wo befinden sich die (institutionellen) Räume, in denen wir über unsere Kunst-Erfahrungen diskutieren können?
WT: In manchen universitären Räumen, in wenigen (deutschsprachigen) musealen Einrichtungen, im Privaten, hoffentlich in einigen Ateliers – leider sehr selten in akademischen Zirkeln.
Inwiefern kann Kunstvermittlung dem Publikum einen Handlungsraum eröffnen?
WT: Es kann die nach wie vor stark reglementierenden Hegemonien aufbrechen und Zugänge schaffen, auf die das Publikum, also alle, denen es möglich ist, eine Ausstellung zu besuchen, ein basales Recht hat. Diese Bildung ist die Grundlage politischer Bildung durch die Auseinandersetzung mit kulturellen Produkten – dazu gehören Kunstwerke (als Teil westlich codierter, spezifizierter Disktinktionsinstrumente)
Wann findest Du ist Kunstvermittlung gelungen? Wann findest Du ist Kunstvermittlung schwierig?
WT: Wenn die Vermittler nicht mehr gebraucht werden und die Lust am Sichten, Reden, Denken und (hoffentlich auch bald mal hier und da) Anfassen selbstverständlich geworden sind.
Gibt es eine spezielle Methode oder Strategie mit der Du aktuell arbeitest?
WT: Ich versuche das Vertrauen der Gesprächspartner zu gewinnen und kämpfe überall für generell freien Eintritt!
Woran arbeitest Du gerade?
WT: An meiner Dissertation (AT: reglementierte Hinführung zur Kunst im NS in den sog. Kunstberichten) und am freien Eintritt…
Welche Bücher, Projekte sind für Deine Arbeit wichtig – und warum?
WT: Silke Wenk, Hildegard Brenner, W.F. Haug etc. – weil sie sich differenziert mit der Kunstpolitik des NS als einem „social engeneering“ (Brenner) befasst haben.
u. a.:
– Brenner, Hildegard: Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus. Hamburg 1963.
– Haug, Wolfgang F.: Die Faschisierung des bürgerlichen Subjekts. Hamburg, Berlin 1987.
– Schmitz-Berning, Cornelia: Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin, New York 2000.
– Wenk, Silke: Aufgerichtete weibliche Körper. Zur allegorischen Skulptur im deutschen Faschismus. ln: Inszenierung der Macht. Ästhetische Faszination im Faschismus. Ausstellungskatalog. Berlin 1987.
Welche Frage würdest Du gerne einer/m KunstvermittlerIn stellen?
WT: Wie können sich VermittlerInnen besser vernetzen und wie kann dabei das etwaige Schwächen durch Konkurrenzverhalten intelligent überwunden werden?
Wie können wir die Reflexion der eigenen Arbeit – insbesondere die des spezifischen und exkludierenden Diskurses – in eine Offenheit gegenüber unterschiedlichen Denkweisen und (einfachen) Sprachen verwandeln?
Wie stellst Du dir die Zukunft der Kunstvermittlung vor?
WT: Verantwortungsbewusst, mutig und offen
Wiebke Trunk verbindet in ihrer Arbeit als Kunstvermittlerin und Künstlerin Theorie und Praxis. Nach einem Bühnenbildstudium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart (Jürgen Rose) und dem Abschluss eines Kunstgeschichts- und Philosophiestudiums in Stuttgart und Würzburg ist der Schwerpunkt ihrer Arbeit heute die Umsetzung zeitgemäßer Vermittlungsformen. So entwickelt und realisiert sie u.a. für das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) für deren Tournee-Ausstellungen spezifische Workshop-Angebote und Vorträge. In ihrer kunstwissenschaftlichen Forschung konzentriert sie sich auf den Bereich der reglementierten Vermittlung von Kunst im NS. Seit 2014 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für visuelle Kultur (Kunst-Vermittlung-Bildung) an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg. www.wiebketrunk.de
Bild 1: Antwort auf Frage 17): Wiebke Trunk. Visualisierung: Gila Kolb, 2015.
Bild 2: Wiebke Trunk im Maisfeld vor der sog. Anhäuser Mauer (Landkreis Schwäbisch-Hall). Die Mauer ist der Rest eines ehemaligen Paulinen-Eremiten Kloster (um 1400). Unter dem jeweiligen landwirtschaftlichen Jahresbewuchs davor befinden sich bis heute in Pflugtiefe dessen Grundmauern. Foto: Nanna Lüth.
Veröffentlicht am 28. Januar 2016
Zitiervorschlag: Trunk, Wiebke (2016): Wahrnehmung und Widerständigkeit. Interview, The Art Educator’s Talk. What does s/he say? Abrufbar unter: https://thearteducatorstalk.net/?interview=wiebke-trunk
Interview: Gila Kolb